Monocirrhus polyacanthus

Blattfisch

Alle Fotos: K.Dreymann
Ursprüngliche
Herkunft:
Südamerika
Rio Negro,
Orinoco,
West Guyana,
Amazonas-Einzug
Haltung
bei mir:
Sandboden
Blätter
pH
6 - 7
LW
260 µ/S
kH
2
gH
6
Temperatur
27° - 30° C

4.8.2004

Seit ich diese Fische mal irgendwo abgebildet und beschrieben gesehen hatte war mir klar, dass ich irgendwann welche haben würde, haben musste!

Ein Fisch, der aussieht wie ein welkes Buchenblatt und mit Hilfe dieser ziemlich perfekten Tarnung im Wasser schwebend wartet, bis ein Beutefisch in die Nähe seines zunächst unscheinbaren Maules kommt, in das er dann durch das blitzartige Öffnen desselben durch Unterdruck hineingesaugt wird. Das Prinzip funktioniert wohl ähnlich wie beim Chaca chaca.

Zwei kleinere Exemplare habe ich heute endlich gekriegt und nach Eingewöhnung ins 560 ltr.-Becken zu den Diskus in den Vallisnerienwald gesetzt. Erstmal waren sie verschwunden. Das Becken ist ja auch angesichts ihrer relativen Winzigkeit so weitläufig, dass sie schon irgendwo für längere Zeit unentdeckt verschwinden könnten.
Aber nach einer halben Stunde habe ich sie doch gesehen:
Sie schweben wirklich wie ein abgefallenes, braunes Blatt im Wasser, bewegen sich aber doch unmerklich in Richtungen, die nicht durch die Wasserströmung vorgegeben sind.
Es leben noch ein paar übrig gebliebene Salmler in dem Becken (Hemigrammus rodwayi), von denen mindestens einer die richtige Größe für ein Blattfischmaul haben müsste...

Nach einer Stunde schwebte einer der Blattfische kopfunter (und natürlich völlig unverdächtig) in der Nähe dieser kleinen Salmlergruppe umher und ich kann mir einfach nicht vorstellen, dass das Zufall ist.

Nächster Tag: Ich hatte eine Gruppe Rote Neons (Paracheirodon axelrodi) besorgt und mit in das Becken gesetzt. Die dreizehn Neons haben sich natürlich erstmal in dieser unbekannten Umgebung eng zusammengefunden und vorsichtig und ohne viel Bewegung die vordere linke Ecke des Aquariums bevölkert.
Nach einer halben Stunde schwebte ganz zufällig ein kleines, verwelktes Buchenblättchen dicht über dem Neongrüppchen........

Am nächsten Morgen fehlte ein Neon!...........aber es lag auch ein wohlgenährter Bratpfannenwels in der Nähe herum...

9.8.
Sie fressen Weiße Mückenlarven, Gott sei Dank! Heute, beim Füttern konnte ich beobachten, wie einer der Blattfische nacheinander mehrere der Mückenlarven schluckte.

Einer von ihnen trieb gestern in der Nähe eines Diskus-Geleges durch das Wasser. Das Diskusmännchen, das jede Annäherung von Lebewesen incl. meines Fingers sofort wütend vertreibt, beäugte das Blatt misstrauisch, fand es dann aber schnell unverdächtig.

Es heißt in der einschlägigen Literatur, dass die Blattfische fast ihr Eigengewicht an Nahrung pro Tag zu sich nehmen müssen - ich weiß nicht, wie sie das mit der momentanen Mückenlarvennahrung schaffen wollen. Die Blattfische sind ja nun mal keine Verfolger; sie warten hauptsächlich, dass etwas Verwertbares an ihrem Maul vorbeischwimmen will und reißen dann nur ihr Maul auf. Mit den Mückenlarven ist das aber ein sehr mühsames Geschäft:
Ein Schwung Mückenlarven ins Aquarium geschüttet treibt zunächst als konzentrierte Wolke, die sich dann aber schnell auflöst und in praktisch alle Ecken des jeweiligen Aquariums durch die Strömung getrieben verteilt wird. Wenn die Blattfische davon ausreichend abkriegen wollen, müssten sie sich wie die normalen Mückenlarvenkonsumenten verhalten, also wie die Salmler, die Streifenhechtlinge, die Diskusse oder wenigstens wie die Endlers Männchen, die jede einzelne Larve quer durch das Becken im Zickzackkurs verfolgen müssen, bis sie dann eine erwischt haben und mit ihr noch ein Weilchen herumkämpfen.
Das ist aber eben nicht Blattfischart!
Sie kriegen natürlich auch sehr schnell mit, dass sich Nahrung im Becken befindet und sehen die Mückenlarven herumzuppen. Blattfische schwimmen dadurch angelockt aber nicht blitzschnell in die begehrte Richtung - das würde ja die Blatttarnung ad absurdum führen - sie treiben nach Blätterart (angetrieben von den praktisch nicht sichtbaren Brustflossen!) nur ungefähr in Beuterichtung, d.h. sie nähern sich nur vorsichtig der Gegend. Dort angekommen sind viele Mückenlarven schon wieder weggetrieben worden und die wenigen, die noch da sind, werden erstmal einzeln unter schwierigem Ritual in Augenschein genommen, taxiert, abwartend prüfend in die mundgerechte Gegend treiben gelassen und dann wird erst zugeschnappt.

Angesichts dieser Situation und der Tatsache, dass alle für sie besorgten Futterfische nach wie vor da sind, mache ich mir natürlich so meine Gedanken und ertappe mich immer wieder dabei, dass ich kontrolliere, ob die Blattfische überhaupt noch da sind.
Aber sie leben und sehen nicht abgemagert aus!

Eine Woche später....
Ich mache mir inzwischen aber doch Sorgen um das Wohlbefinden der "Blätter":
Seit zwei Tagen sehe ich nur noch einen von ihnen - gut, sie können sich perfekt tarnen und in dem großen Becken auch gut verstecken........ Ich habe aber heute einen von ihnen beim erfolglosen Jagen beobachtet:
Es gab Weiße Mückenlarven und sicherheitshalber gleich eine große Menge von ihnen. Die Strömung im Becken verteilt die Mückenlarven zügig in alle Ecken und sorgt dafür, dass sie ohne aktives Wegschwimmen immer in Bewegung sind. Für die Blattfische ist diese Bewegung aber wohl zu schnell. Ich habe einen beobachtet, der die auf ihn zukommende Mückenlarve und ihre "ballistische Kurve" zwar berechnet hatte - er bewegte sich zügig zu einem in der Nähe liegenden Schnittpunkt zwischen der Bewegungsrichtung der Mückenlarve und seiner eigenen Richtung, schnappte letztendlich aber leider doch vorbei!
Die Beute muss offensichtlich exakt vor seiner Maulspitze treiben - am besten bewegungslos - damit er sie kriegt. Irgendwelche Schwankungen abseits der "Fressachse" können durch Richtungskorrektur oder Hinterherschwimmen meistens nicht mehr zum Fresserfolg führen.
Mein beobachteter Blattfisch hat bei o.g. Fütterung keine einzige (!) Weiße Mückenlarve erwischt.
Ich musste also die Umgebungsvariablen ändern!
Ich habe den Blattfisch und die kleinsten der bisher nicht gefressenen Beutefische in ein 25 ltr.-Becken, das praktisch nur aus alten Buchenblättern, ein paar Ästen, Sand und Wasser besteht, umgesetzt. Ich hoffe natürlich, dass sich der zweite Blattfisch auch wieder anfindet.
In diesem kleinen Lebensraum, der vor mir auf dem Schreibtisch steht und ständig von mir beobachtet werden kann, ist der Blattfisch allerdings sofort zu einem Buchenblatt geworden und selbst bei genauestem Hinsehen nur äußerst schwer zu entdecken. Noch dazu, wenn ab und an mal ein echtes Buchenblatt in der schwachen Strömung des Filterrücklaufes mitten im Becken schwebt.
Es bedurfte offenbar keiner Eingewöhnungszeit - der Blattfisch ging sofort in seinem neuen Buchanblattdickicht in Lauerstellung. Dabei war er allerdings etwas unvorsichtig - vielleicht wg. seines großen Hungers? - und bewegte sich eben leider doch in Richtung seiner Beute und sowas wird von denen sofort bemerkt! Alle Fische sind dann in der gegenüberliegenden Ecke des Beckens.
Bestimmte Bewegungen des Blattfisches oder eine bestimmte Geschwindigkeit, die wohl eines Buchenblattes "unwürdig" ist, werden von den Fischen sofort erkannt und mit Flucht beantwortet. Er muss sich wohl oder übel auf seine ureigensten Tugenden besinnen und regungslos in Lauerstellung gehen, also warten.
Im Moment sitzt er unter der Wasseroberfläche zwischen einer Decke von alten, braunen Buchenblättern, die fast alle oben bewegungslos treiben und mit der Blattspitze leicht ins Wasser geneigt schwimmen, und hat seine Schnauzenspitze ganz nach Art seiner jetzigen Umgebung nach unten gesenkt.

Ein paar Stunden später.......
Das neue Blattfischbecken bietet ihm einen Würfel von nur 25 X 25 X 25 cm und ich habe inzwischen schon fast einen leichten Überbesatz an Futterfischen in unterschiedlichen Größen
- er hat immer noch keinen einzigen Beutefisch erwischt!
Wenn er in einer Ecke seines Beckens lauert sind alle anderen Fische an der genau gegenüberliegenden Seite. Wenn er sich dann nicht bewegt, nähern sich die Fische nach einem Weilchen, was bei ihm ungeschickter Weise dazu führt, dass er ihnen vorsichtig entgegenschwimmt. Das wiederum löst erneut Misstrauen bei den Futterfischen aus, die dann wieder ausweichen. Sie wissen dadurch immer ziemlich genau, wo sich der Feind gerade befindet. Er schwimmt dann nach einer Weile fast ungeduldig in die Ecke seiner potenziellen Beute, nähert sich dann senkrecht von unten mit nach oben gestreckter Schnauzenspitze und "treibt" die Fische in einer Ecke zusammen, um dann irgendwann zuzustoßen - nichts! - alle Beutefische stieben in alle Himmelsrichtungen auseinander.
Man merkt richtig, dass er sehr angespannt ist, wenn sich andere Fische nähern und es sieht so aus, als könne er es nicht erwarten, dass die ersten Fische in die Nähe seines Maules kommen. Aber selbst wenn ein Fisch mal 1 cm vor seinem Maul auftaucht kann er ihn nicht erwischen und schnappt daneben. Die gleichzeitig zahlreich vorhandenen Weißen Mückenlarven interessieren ihn übrigens in dieser Zeit nicht.

Die Jäger-Beute-Relation zwischen meinem Blattfisch und seinen Beutefischen kann man inzwischen so beschreiben, wie sie für die Aufzucht von vielen Fischlarven notwendig ist bei denen man sagt: Sie stehen im Futter. - und trotzdem ist er als Jäger ziemlich erfolglos!

Ich möchte mal wissen, wie die Blattfische mit dieser Strategie in der Wildnis überleben...

Manchmal steht der Blattfisch ganz ruhig da und zeigt seinen hellen Streifen von der Schnauzenspitze bis zum Beginn der Rückenflosse. Dieser Streifen teilt quasi den Fisch von vorn in zwei undefinierbare Hälften und läßt ihn noch schlechter als Fisch, resp. als Fressfeind erkennen.

In den letzten zwei Tagen hat sich an der Anzahl der Futterfische nichts verändert! Ein Guppyweibchen bringt nach und nach Junge zur Welt und der Blattfisch scheint sich - seit er das mitgekriegt hat - nur noch für diese Winzlingsfische zu interessieren. Ich habe ihn dabei beobachtet und muss sagen, dass ich noch nie einen Fisch hatte, der sich so ungeschickt anstellt! Blattfisch und Guppylarve befinden sich sozusagen Auge in Auge einen Zentimeter von einander entfernt irgendwo im Wasser - beide stellen sich tot und beobachten sich dabei. Nach ein paar Minuten Unbeweglichkeit gleitet der Blattfisch "unmerklich" in Richtungs Guppylarve und schnapp - die Larve schwimmt hektisch im Zickzackkurs um den Blattfisch herum und versteckt sich schnell in den Buchenblättern am Boden!

In der Literatur steht, dass die Blattfische bis zehn Zentimeter lang werden und dass sie als räuberische Art nur mit größeren Fischen vergesellschaftet werden sollten. Weiterhin sollen sie ein riesiges Maul haben, in das Beutefische durch den entstehenden Sog beim plötzlichen Öffnen eingesaugt werden. Schön und gut.

Mein Blattfisch ist fünf Zentimeter lang, also wohl halbwüchsig und von seinen Jagdfähigkeiten bin ich inzwischen wahrlich nicht mehr überzeugt. Was er bisher gezeigt hat ist geradezu lächerlich im Hinblick auf seine erfolgreiche und ausreichende Ernährung und sein daraus resultierendes Wachstum.
In dieser Größe müsste sein Maul eigentlich groß genug für eine Beute in Art eines Endlers Männchen oder eines kleinen Paracheirodon innesi sein, stattdessen begnügt er sich seit inzwischen vier Wochen mit Weißen Mückenlarven und den noch viel kleineren Guppylarven! Zum Glück sind zur Zeit drei hochträchtige Guppyweibchen in seinem Becken.......

Zwei Tage später habe ich ihn tot aus dem Becken gefischt! :(

Fortsetzung

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