Xanthoristische Gedanken

von Martin Grimm

Ancistrus werden seit vielen Jahren erfolgreich gehalten und auch gezüchtet. So war nur eine Frage der Zeit, bis verschiedene Zuchtformen auf dem Markt landen. Die aktuellste dieser Zuchtformen ist wohl der "Schleier"-Ancistrus, über dessen Notwendigkeit man streiten kann. Darum soll es in dieser Arbeit aber nicht gehen. Es existieren verschiedene albinotische beziehungsweise xanthoristische Formen, die schon länger bekannt und dementsprechend weiter verbreitet sind.

Was ist ein Xanthorist?

Xanthorist leitet sich vom griechischen "xanthos" ab, was übersetzt "gelb" bedeutet. Xanthoristen zeichnen sich durch vollständiges Fehlen aller schwarzen Farbpigmente (Melanin) aus. Weil die gelben Pigmente erhalten bleiben, erscheinen die betroffenen Individuen gold-gelb. Je nach dem ob noch geringe Pigmentbildung vorhanden ist oder nicht, entstehen rote oder dunkle, meist bläuliche Augen. Auch muß die Pigmentstörung nicht alle Hautbereiche betreffen. Ein kleiner Teil der Nachkommen (rund ein Prozent, laut W. Heinrichs, Garbsen) der blauäugigen Xanthoristen hat dunkle, normal pigmentierte Hautpartien.
Die rotäugigen Formen werden im Handel meist als Albinos angeboten. Meiner Meinung nach ist diese Bezeichnung nicht ganz korrekt, weil auch diese Tiere noch gelbes Pigment zeigen. Echte Albinos müßten rosa-fleischfarben sein, wie sie zum Beispiel von Corydoras aeneus und C. paleatus bekannt sind. So gefärbte Ancistrus sind mir bisher nicht bekannt.

Rotaugen-Ancistrus

Der als Ancistrus sp. "Albino" angebotene Antennenwels kennt wohl so gut wie jeder. Durch ihre Färbung fallen sie schnell auf. Bei genauerer Betrachtung fällt auf, daß es von diesen "Albinos" mehrere Formen gibt:

Das wären schon vier verschiedene rotäugige Zuchtformen, die mit Sicherheit nicht von einer Art abstammen. Die Formen mit angedeuteten Punkten sind stammen wahrscheinlich vom "Braunen Antennenwels", Ancistrus sp. ab. (Den Jinkins mal locker-flockig als A. temmincki identifiziert. Weil es auch andere Meinungen dazu gibt, bleibe ich bei Ancistrus sp.) Dafür spricht neben den Punkten auch die Form des "Geweihs" beim Männchen. Sowohl die Xanthoristen als auch die Wildtypen haben verzweigte Tentakel.
Bei der mir bekannten Form ohne Punkte gehe ich davon aus, daß es sich um eine andere Art handelt. Die Tentakel bei erwachsenen Männchen sehen ganz anders aus. Es sind deutlich weniger und Verzweigungen treten auch nicht auf.

Etwas Genetik

Xanthoristische Individuen entstehen immer durch Enzymdefekte im Tyrosinstoffwechsel (aus der Aminosäure Tyrosin entsteht über mehrere Zwischenstufen das Pigment Melanin). (Diese können auch zeitlich begrenzt sein, siehe der LG2-Xanthorist im Wels Atlas, welcher wenige Wochen später wieder normal gefärbt war (R. Melzer, pers. Mitteilung)) Weil Gene in jeder Zelle mindestens doppelt vorkommen und erst der Ausfall beider zum Fehlen des Enzyms führt, wird Xanthorismus/Albinismus rezessiv vererbt. Das bedeutet, daß bei Verpaarung zweier Xanthoristen auf jeden Fall nur "entfärbte" Nachkommen entstehen. Verpaart man allerdings ein Wildtyp-Tier (normalfarbig) mit einem Xanthoristen, erhält man in der ersten Tochtergeneration nur Wildtyp-Nachkommen. Diese tragen jetzt allerdings ein defektes, rezessives Gen. Um xanthoristische Nachkommen zu erhalten, verpaart man die Nachkommen untereinander. Nach Mendel entstehen dabei 25 Prozent reinerbig-anthoristische, Nachkommen. Um mehr gelbe Junge zu erzielen, kann man auch F1-Nachkommen mit dem xanthoristischen Elterntier rückkreuzen. Theoretisch entstehen dann 50 Prozent gelbe Nachkommen.
Zum großen Schock unter Hobby-Genetikern und Ancistrus-Züchtern in Personalunion kommt es dann, wenn zwei gelbe Tiere verpaart werden und alle Jungfische normalfarbig sind. Wie kann so etwas passieren? Möglichkeit eins: Die Elterntiere gehören zu verschiedenen Arten. Die Vererbungsregeln gelten dann nicht mehr, weil die Gene an unterschiedlichen Orten liegen können und damit verschieden vererbt werden.
Möglichkeit zwei: genetische Heterogenität. Wie oben schon erwähnt entsteht Albinismus u.ä. durch Enzymdefekte im Melanin-Stoffwechselweg. Dabei ist es durchaus möglich, daß ein Xanthorist einen anderen rezessiv-reinerbigen Enzymdefekt hat als ein anderer. Kreuzt man diese beiden jetzt, haben die Nachkommen von jedem Gen ein "defektes" und ein "gesundes" Allel. Weil aber zur Merkmalsausprägung zwei defekte Allele mindestens eines Gens vorhanden sein müßten, sind die Nachkommen normalfarbig. Kreuzt man diese Nachkommen jetzt untereinander, entstehen rund 40 Prozent xanthoristische Nachkommen…

Blauaugen-Ancistrus

Sämtliche dunkeläugige Xanthoristen werden kategorisch als "L144" verkauft, was sicher aus Unwissenheit passiert. Ancistrus sp. L144 ist eine xanthoristische Form, die vor einigen Jahren in wenigen Exemplaren aus Paraguay importiert wurde und dann durch eifrige Aquarianer gezüchtet (unter anderem durch Rückkreuzung) und verbreitet wurde.

Für die Nachzucht ist es vollkommen irrelevant. Haben die Fische halbwegs vernünftige Bedingungen, wird man sich binnen weniger Wochen vor Jungfischen nicht mehr retten können. Meine Tiere begannen zwei Wochen nach dem Einsetzen mit dem Laichen - in einer Größe von knapp fünf Zentimeter. Dachte ich nach dem ersten Gelege noch, man könne vielleicht Ei- und Larvengröße zur Artbestimmung heranziehen - die 23 Eier waren riesig, die Larven entsprechend - verwarf ich diesen Gedanken beim zweiten Gelege. Hier waren es deutlich mehr Eier, die rund ein Drittel kleiner waren als die des ersten Geleges. Aufzuchtprobleme gibt es bei mir keine. Von allen geschlüpften Jungfischen ist noch nicht ein einziger gestorben. Ein Jungfisch aus dem ersten Gelege hat eine Wachstumsstörung - er ist stark abgemagert und wächst so gut wie nicht. Außerdem kann er sich nicht richtig an den Seitenscheiben ansaugen. Zufälliger Defekt oder Folge von Überzüchtung?

Martin Grimm

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